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FORTBILDUNG FÜR ENGLISCHLEHRKRÄFTE
am NILE College in Norwich
Norwich! Norwich? Als ich von der 14-tägigen Fortbildung für Englischlehrkräfte erfuhr, musste ich unweigerlich erst einmal meinen alten Schulatlas zu Rate ziehen,
um festzustellen, wo denn die Regierung von Oberfranken wieder einmal eine ihrer Veranstaltungen ansetzt. Norwich ist mit ca. 140.000 Einwohnern das administrative
und wirtschaftliche Zentrum der Grafschaft Norfolk (UK) nördlich Londons. Die Stadt ist zwei Autostunden von London entfernt, beherbergt eine stattliche Zahl von
Kirchen, zwei Kathedralen, davon eine aus normannischer Zeit, sowie die renommierte University of East Anglia. Das College selbst ist ein schmuckes Häuschen im
Fachwerkstil im Zentrum der noch mittelalterlich geprägten Stadt. Das Ambiente verheißt doch wohl einen angenehmen Aufenthalt.
Da es sich bei der Fortbildung um eine von der EU geförderte Maßnahme (Leonardo-VETPro) handelt, ist der Auslandsaufenthalt als zielführendes Projekt zu begreifen,
wobei der Projektträger, die Regierung von Oberfranken unter der Federführung von Frau Ruth Bankmann eng mit dem NILE College (Norwich Institute for Language Education)
zusammenarbeiten muss, um im Rahmen eines eindeutig festgelegten Kursprogrammes ein anwendungsbezogenes und multiplizierbares Projektergebnis zu generieren und dann
in einer Abschlussveranstaltung in Bayreuth zu evaluieren.
In unserem Fall lag der Schwerpunkt des Projekts darauf, mit Hilfe unserer beiden Dozenten, Herrn Peter Maingay und Herrn Chris Rose, Unterrichtskonzepte für unsere
Schüler zu entwerfen, wobei wir auch auf die reichhaltige Bibliothek am NILE College und authentische Fallmaterialien (Zeitungen, Interviewer-gebnisse, Formulare etc.)
zurückgreifen konnten. Allerdings bedurfte es zunächst einmal eines gewissen Inputs, indem uns ein gewisses Methodenrepertoires in interessanter und anschaulicher Form
nähergebracht wurde, seien es Aufwärmübungen in Form lustiger Geschichten, die zum Sprechen animieren, Gruppendiskussionen vor dem Hintergrund komplexer
Entscheidungssituationen (Industrieansiedlung Ja? Nein?), Ausspracheübungen, wobei man auch Comics einsetzen kann, oder ganz einfach Fallstudien als Impuls zum
Verfassen von Geschäftsbriefen.
Von unschätzbarem Wert war für uns als Teilnehmer die Möglichkeit, dass wir uns sofort an einen unserer native speakers wenden konnten, wenn Verständnisschwierigkeiten
auftauchten. Dies war auch der Fall, als es daran ging, eigene Materialien zu entwickeln, damit diese gleich durchgesehen werden konnten.
Natürlich verbrachten wir die Zeit nicht nur im „Klassenzimmer“. NILE gab uns durch vielfältige Betriebserkundungen einen Überblick in die lokale Wirtschaftsstruktur.
Wir hatten die Gelegenheit, das House of Fraser, eine relativ große Einzelhandelskette in der Chapelfield Mall in Norwich zu besuchen und erhielten einen Einblick
in deren Sortimentsgestaltung, die Gewährung von Konzessionen im Rahmen des Shop-in-Shop-Konzepts sowie Informationen zur betrieblichen Ausbildung, die ganz im Hause
abläuft.
Für Automobilfreaks war sicherlich der Besuche der Lotus-Werke in Bethel (Norfolk) ein Highlight. So konnten wir die Produktion der exklusiven Wagen, von der
Lieferung und Montage der Carbonfaser-Bauteile, der Lackierung, über den Zusammenbau der Komponenten auf dem Chassis bis hin zur Endmontage verfolgen, wobei die
Herstellung überwiegend in Werkstattfertigung durchgeführt wird.
Ganz besonders interessant gestaltete sich unser Besuch bei der BBC in Norwich. Wir wurden gleich von zwei enthusiastischen Mitarbeitern freundlich empfangen, die
uns über das britische Medienwesen aufklärten. Anschließend durften wir die Senderäume für Rundfunk (live!) und Fernsehen besuchen und den Ablauf einer Sendung sowie
die Verantwortlichkeiten der Gestalter näher kennenlernen. Am Ende konnten wir selbst einmal ans Hörfunkmikrophon treten und eine fiktive Sendung mit Moderation,
Studiogast, Musik, Wettervorhersage und reichlich Humor gestalten, die leider nicht ausgestrahlt werden konnte.
Besuche bei einer lokalen Zeitung sowie des Job Centers erweiterten das Spektrum unserer Streifzüge in Wirtschaft und Verwaltung. Ausflüge ins Theater und Kino
sowie nach Cambridge und London deckten das kulturelle Programm ab.
Will man Englisch als Fremdsprache erwerben und unterrichten, reicht es nicht, nur als Tourist Land und Leute kennenzulernen. Man muss den Lebensalltag aus
eigener Anschauung kennenlernen. Was eignet sich da besser als die Unterbringung in einer Gastfamilie, mit der man als Gast regelmäßig am Familienalltag
teilnimmt? Es ist immer wieder eine große Herausforderung, auch nach so vielen Jahren der Beschäftigung mit dem Englischen, dass man sich flexibel und angemessen
in ganz banalen Situationen im Alltag ausdrücken kann. Mit meiner Gastfamilie, den O’Kellys, hatte ich immer wieder die Gelegenheit mich über den British Way of
Life auszutauschen, ob nun durchaus interessante Reality Shows („The Apprentice“, „Dragon’s Den“) oder Soaps („The Inbetweeners“), die Gartengestaltung und
Haustiere („guinea pigs - my favourite outdoor-pets“), die Regeln im Rugby („groan!“) oder die anglo-indische Küche („yummy!“). Übrigens, ich kann nun wohl aus
eigener Erfahrung behaupten, dass die englische Küche nach der Küchenrevolution durch Jamie Oliver nicht nur aus „Fish and Chips“ besteht, sodass ich auch
interessante kulinarische Anregungen und nicht nur Unterrichtskonzepte („food for thought“) mit nach Hause nehmen kann.
Michael Hauck
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